Parasiten am Vogel und im Nest
Praktisch jedes Lebewesen hat seine artspezifischen Parasiten, die von Natur aus in oder auf ihm leben. Das ist normal und gehört zum Kreislauf der Natur. Kräftige, gesunde Organismen haben ein intaktes Immunsystem, welches spielend damit fertig wird, diese Parasiten so zu deckeln, dass sie eine verträgliche Anzahl nicht überschreiten.
Erst, wenn eine Schwächung des Organismus durch Krankheit oder Verletzung eintritt, können sich diese Parasiten plötzlich explosionsartig vermehren, die Oberhand gewinnen und ihren Wirt dann eventuell auch schnell töten.
Bei Jungtieren sieht das etwas anders aus:
Egal, ob man sich die Pflanzen- oder die Tierwelt anschaut – die Natur hält bei allen eine ganze Reihe von Prüfungen bereit, die es von Geburt an zu bestehen gilt, bevor das Lebewesen die Geschlechtsreife erlangt, und sich vermehren darf. Nur die Stärksten und Gesündesten – und die „Glückskinder“ – überstehen diesen Weg der Prüfungen und können ihre Gene weiter geben. Bei Vögeln beginnt die Selektion im Prinzip bereits mit dem Nestbau durch die Eltern.
Auf den Eltern leben spezifische Parasiten, die als mehr oder weniger dauerhafte Untermieter überall mit hinreisen. Sowie die Eltern mit dem Nestbau beginnen, beeilen sich auch die mitgereisten Parasiten für ihren Fortbestand zu sorgen. Sie wandern von den Altvögeln ins Nest, um dort ihre Eier abzulegen.
Nun beginnt ein Wettlauf mit der Zeit: Wer schlüpft zuerst und wer gewinnt die Oberhand? Für die frisch geschlüpften Parasiten bieten die jungen Vögel im Nest eine unerschöpfliche Nahrungsquelle. Je älter die Vögel im Nest allerdings werden, desto besser können sie sich durch entsprechende Körperpflege und mit Hilfe ihres immer besser werdenden Immunsystems wehren. In den ersten Tagen nach dem Schlupf jedoch, sind sie noch nahezu schutzlos einer eventuellen Parasitenflut ausgesetzt. Schlüpfen also die Parasiten zu früh, können sie die Küken quasi bei lebendigem Leibe direkt nach dem Schlupf verspeisen.
Dasselbe geschieht, selbst wenn die Parasiten erst später geschlüpft sind, wenn die Küken zu lange im Nest bleiben müssen. Dies kann z.B. geschehen, wenn eine längere Schlechtwetterperiode den Eltern die Futtersuche schwer macht. Oder in der direkten Umgebung herrscht ohnehin großer Insektenmangel und die Eltern müssen für jeden Happen weit fliegen (Stichwort grüne Wüsten). Als Folge wachsen die Kleinen langsamer heran. Wenn die kleinen Vögel nur noch ganz kurz davor stehen, ihr Nest verlassen zu können, geschieht es oft, dass der Parasitendruck so unerträglich groß wird, dass die Nestlinge in ihrer Panik vorzeitig aus dem Nest flüchten und abstürzen.
Bei Rauchschwalbennestern kann man das, weil sie oft in Gebäuden angelegt sind, häufiger beobachten. Man findet fast fertige kleine Schwalbenküken auf dem Fußboden, von denen man annimmt, dass sie aus dem Nest gefallen sind. Schaut man sie genauer an, findet man sie übersät von Blutsaugern – diese Schwalben sind nicht gefallen, sie sind in Panik aus ihrem Nest rausgesprungen.
In solchen Fällen kann man die Tiere, sofern sie den Sturz überlebt haben, bei richtigem Handeln oft noch den Eltern zurück geben und auch den Rest der Brut retten, wenn man schnell genug richtig handelt. Dazu finden Sie mehr im Kapitel: „Kükenrückgabe an die Eltern“
Dass unser Findling überhaupt bei uns gelandet ist, spricht dafür, dass er in irgendeiner Form in Not geraten ist, also wenn er nicht „nur“ seine Eltern durch ein Unglück verloren hat, irgendwie eine Schwäche vorliegt. Hätten wir ihn nicht „gerettet“, wäre er der natürlichen Selektion zum Opfer gefallen. Damit ist er auch bevorzugtes, weil einfaches Ziel seiner artspezifischen Parasiten. Da wir weder wollen, dass unser Zögling bei uns von irgendwelchen Blutsaugern aufgefressen wird, noch derartige Tierchen in unserer Wohnung beherbergen möchten, sollten wir etwas gegen diese Quälgeister unternehmen.
Natürlich gibt es haufenweise Sprays und Tropfen gegen Vogelparasiten aller Art im Zoohandel und beim Tierarzt. Ich würde Ihnen allerdings dringend raten, davon die Finger zu lassen. Abgesehen davon, dass es sich hier immer um Gifte handelt, die selbst den Organismus eines Haustieres schon schwer belasten, reagieren viele Wildvögel unkalkulierbar empfindlich auf diese Mittel und manche sterben sogar daran.
Ich verfahre folgendermaßen mit „Neuzugängen“ bei meinen Zöglingen:
Die gängigsten Vogelparasiten, die außen am Vogel leben, sind Milben, Federlinge, artspezifische Lausfliegen artspezifische Wanzen. Milben, Lausfliegen und Wanzen ernähren sich vom Blut der Vögel.
Bei den Wanzen reichen schon drei oder vier Stück, um ein sehr junges Küken innerhalb von Stunden leer zu saugen und damit zu töten. Glücklicherweise findet man diese nicht ganz so oft. Wenn sie vorhanden sind, sitzen sie bevorzugt in der Halsbeuge am Übergang vom Kopf zum Rumpf – dort ist die Haut dünn und die Hauptgefäße, die den Kopf mit Blut versorgen, liegen oberflächlich und sind leicht anzuzapfen. Die saugenden Wanzen haben viel Ähnlichkeit mit Zecken und man muss 2 x hinschauen, um zu erkennen, dass es sich um Parasiten handelt und nicht um ein körpereigenes Gebilde. Findet man so eine Wanze, muss diese allerschnellsten sehr vorsichtig entfernt werden. Genau wie Zecken sollten sie nicht gequetscht oder einfach abgerissen, sondern ganz vorsichtig von der Biss-Stelle gelöst werden. Hierzu eignen sich gut die handelsüblichen Zeckenzangen.
Wenn Sie keine Erfahrung mit der Entfernung von Zecken haben, sollten SIe diese Wanzen von einem Tierarzt entfernen lassen. Das muss allerdings extrem zeitnah, also sofort geschehen!
Die Lausfliegen sind ebenfalls Blutsauger und kommen schon häufiger vor. Sie sind unglaublich schnell, kaum tot zu kriegen und ihr Biss ist für das Opfer extrem schmerzhaft. Nicht selten sind sie gleich nach der Milbe der Übeltäter, wenn Vögel in Panik aus ihrem Nest in die Tiefe springen. Die Lausfliege lebt im Gefieder direkt an den Federkielen. Man findet sie nur, wenn man von hinten die Federn anhebt und ins Gefieder schaut. Auch dann sieht man sie meist nur kurz, weil man praktisch im Augenwinkel eine schnelle Bewegung wahr nimmt – schaut man bewusst hin, ist der Verursacher schon wieder in den Tiefen des Gefieders verschwunden.
Vögel, die unter Lausfliegenbefall leiden, sind extrem unruhig und versuchen aus jedem Behältnis zu entfliehen, in das Sie sie setzen. Wenn Sie Verdacht auf Lausfliegen haben, sollten Sie mit ihrem Zögling kurz nach draußen gehen und die Lausfliegen soweit möglich mit einer Pinzette aus dem Gefieder sammeln. Hierbei ist es sehr, sehr wichtig, dass Sie mit der Pinzette auf keinen Fall eine Feder beschädigen. Besonders für Zugvögel wie Mauersegler oder Schwalben bedeutet ein Gefiederschaden mit hoher Wahrscheinlichkeit das Todesurteil.
Federlinge finden sich an Küken zum Glück eher seltener. Diese Parasiten sind allerdings wenn sie vorhanden sind, eine ernst zu nehmende Gefahr für das frisch sprießende Gefieder und gefährden ein späteres, erfolgreiches Auswildern. Federlinge ernähren sich von Vogelfedern. Sie fressen diese an und beschädigen sie damit so stark, dass sie unbrauchbar werden. Für den Vogel, der je nach Art sein Federkleid nur alle ein bis zwei Jahre wechselt, hat das fatale Folgen: wenn die Schwungfedern nicht mehr tragen können, ist der Vogel flugunfähig. Wenn das Federkleid löchrig ist, kann der Vogel Witterungseinflüssen nicht mehr stand halten, durchnässt und erfriert z.B. in Regenphasen etc. Die Federlinge, die sie finden können, sollten Sie also ebenfalls bereits manuell absammeln. Alle übrigen werden mit der nachfolgend unter Milben beschriebenen Methode vernichtet:
Milben sind die am weitesten unter Vögeln verbreiteten Parasiten und sie treten in Massen auf. Sie sind so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum erkennt, aber angesichts der großen Anzahl und ihres unersättlichen Bluthungers können sie sogar ein ausgewachsenes Huhn in kurzer Zeit umbringen. Milben können Sie nicht einzeln absammeln. Wenn der Vogel sehr stark befallen ist, können Sie (ebenfalls bitte draußen) mit einem weichen Tuch oder einer sehr, sehr weichen Bürste ganz vorsichtig von vorne nach hinten den Vogel abstreichen – dabei müssen Sie aber akribisch darauf achten, dass Sie keine einzige Feder beschädigen oder verbiegen.
Das Tuch oder die Bürste sollten direkt im Anschluss in eine Plastiktüte und diese wiederum für mindestens 24 besser 48 Stunden ins Tiefkühlfach wandern. Dies ist die einzige Methode, womit Sie die Milben sicher aus ihrem Tuch abgetötet bekommen. Nach dieser ersten manuellen Anti-Parasiten Versorgung setzen Sie ihren Zögling wieder in seine Müslischale. Nun wissen Sie auch, warum ich Ihnen die Verwendung von Küchenpapier als Polstermaterial empfohlen habe.
Bei jeder Fütterung sollten Sie (nur anfangs und solange sie mit Parasiten rechnen) das Küchenpapier im Nest wechseln und sich das gebrauchte Küchenpapier ggf. mit einer Lupe genau anschauen und auf kleine Krabbler kontrollieren.
Jetzt wird es Zeit, sich Kieselgur oder ähnliches zu beschaffen. Hierbei handelt es sich um einen natürlichen, sehr, sehr fein vermahlenen Puder (z.B. Silikatstaub). Dieser Puder ist sehr saugfähig und hat eine mikrokleine Körnung. Diese Eigenschaften machen ihn zu einem effektiven, natürlichen Parasitenfeind bei Geflügel. Zum einen trocknet der Puder die Parasiten aus, zum anderen setzen sich die ganz feinen Körnchen in die Gelenkspalten und machen die Parasiten damit bewegungsunfähig, was zwangsläufig zu deren Tod führt. Diesen Puder finden sie im Landhandel und oft in Zoogeschäften für Ziervögel.
Ich z.B. verwende InsectoSec
Zwei Dinge sollten Sie beim Kauf beachten:
- dass dem Produkt keine weiteren Zusätze in Form von Giften, Duft- und Farbstoffen beigemischt sind
- dass das Pulver ausdrücklich zur Parasitenbekämpfung bei Geflügel und/oder Vögeln deklariert ist. (z.B. Kieselgur gibt es auch als Futterzusatz für Pferde. Dieses Kieselgur hat eine viel gröbere Körnung und würde Milben nichts anhaben können).
Oft ist der Puder beim Kauf bereits in einer weichen Plastikflasche, so dass man ihn durch Drücken auf die Flasche „verstäuben“ kann. Andernfalls füllen Sie sich einfach etwas von dem Puder in eine weiche Flasche, die über einen Pfropfen mit kleinem Loch verfügt, um.
Bitte verwenden SIe auf keinen Fall Dinge wie Babypuder oder Mehl!
Wenn Sie kein Kieselgur sofort verfügbar haben und der Vogel sehr stark befallen ist, können SIe als Erstmaßnahme sehr feinen, zusammengekehrten, trockenen Sandstaub verwenden. Sie sollten jedoch so schnell wie möglich Kieselgur besorgen und damit nachbehandeln. (Wenn Sie Hühnerhalter in der Nachbarschaft haben, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass diese Ihnen mit Kieselgur aushelfen können).
Nun nehmen Sie ihren kleinen Zögling und stäuben den Puder von hinten überall ins Gefieder, so dass der Puder bis an die Haut reicht. Wichtig ist dabei, dass Sie mit einer Hand das Köpfchen abgedeckt halten, damit von dem Puder nichts in Augen oder Nase gelangt. Anschließend nehmen sie einen Teelöffel von dem Puder und breiten es im Nest unter dem Küchenpapier auf dem Boden der Müslischale aus. Wenn Sie nach ca. einem Tag auf dem Küchenpapier keine Parasiten mehr finden, können Sie das Küchenpapier für den Vogel durch gemütlicheres Heu und Moos als Polster ersetzen, was Sie dann normalerweise auch nicht mehr auswechseln müssen, bis Ihr Zögling sein Nest verlässt. Zur Sicherheit sollten Sie aber auch hier ein wenig von dem Puder unter dem Heu auf dem Schalenboden verteilen.
Weitere Beschreibungen und auch Fotos zu den Vogelparasiten finden Sie detailliert auf der Wildvogelseite.
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