Sie wollen einen verletzten Vogel schonend einfangen?
Wenn wir einen hilfsbedürftigen Vogel finden, ist es bei verwaisten Küken und Jungvögeln normalerweise einfach, sie aufzusammeln.
Bei verletzten Altvögeln kann sich das schon schwieriger gestalten. Meistens sind sie so verletzt, dass sie trotzdem noch recht beweglich sind. Da sie uns als Gefahr betrachten – sie wissen ja nicht, dass wir helfen wollen – versuchen sie mit allem, was sie noch einsetzen können, zu flüchten oder sich sogar durch Einsatz von Schnabel und/oder Krallen zu verteidigen. Zu viel Stress kann bei Vögeln schnell zum Tod führen. Die Verletzung, Schmerzen und das Wissen, nur eingeschränkt fluchtfähig zu sein, bedeutet für den Vogel schon ein hohes Maß an Stress. Wenn Sie einen verletzten Vogel finden, der offensichtlich noch in der Lage ist, vor Ihnen davon zu hüpfen, versuchen Sie bitte nicht, hinterher zu jagen.
Vögel reagieren mit einem starken Fluchtreflex auf jede kleinste Bewegung. Dunkelheit dagegen lässt sie zur Ruhe kommen, da sie Bewegungen nicht mehr sehen. Nehmen Sie also ein Tuch, ein Laken, eine Decke, eine leichte Jacke oder sonst etwas, was nicht zu schwer ist und versuchen Sie, dieses vorsichtig über den Vogel zu werfen. Dabei müssen Sie sich langsam und mit sparsamen Bewegungen dem Vogel nähern. Wenn sich der Vogel unter dem Laken befindet, nehmen Sie ihn ganz vorsichtig mitsamt Laken auf. (versuchen Sie, den Vogel nicht an den Stellen anzuheben, an denen Sie zuvor die Verletzungen ausgemacht haben (z.B. Flügel)).
Wenn Sie einen Karton o.ä. zur Hand haben, der nur so gross ist, dass der Vogel darin wenig Bewegungsfreiheit hat, polstern Sie diesen gut aus. Bilden Sie in der Mitte eine Art Mulde, damit der Vogel von allen Seiten gestützt ist und setzen ihn ohne das Laken zu entfernen da rein. Dann heben Sie das Laken ab und verschließen den Karton (auf Luftzufuhr achten). Haben Sie keinen Karton zur Hand, belassen Sie den Vogel unter dem Laken und halten ihn so ruhig wie möglich, bis Sie beim Tierarzt eintreffen.
Wenn Sie einen verletzten Altvogel finden, dann wird Sie abhängig von der Art der Verletzung Ihr erster Weg zum Tierarzt führen. Nach der tierärztlichen Versorgung wird der Vogel abhängig von der Art seiner Beeinträchtigungen mehr oder weniger lange gepflegt werden müssen. Zunächst sollten Sie sich darum überlegen, ob Sie den Vogel selbst pflegen wollen, oder ob Sie eine geeignete Pflegestellesuchen möchten.
Wenn Sie sich entschließen, den Vogel selbst zu pflegen, müssen Sie sich zunächst einmal um eine passende Unterbringung und um eine geeignete Ernährung kümmern.
Falls Sie es noch nicht wissen, sollten Sie zunächst einmal herausfinden, was für einen Vogel Sie gefunden haben. Hier hilft Ihnen vielleicht eineumfangreiche Sammlung von Vogelfotos. Mit Hilfe von Vogelsteckbriefen können Sie herausfinden, wovon sich der Vogel in der Natur ernährt. Eine Vielzahl hervorragender Vogelsteckbriefehier und Wikipedia liefern für viele Vogelarten sehr fundierte und umfangreiche Informationen. Soweit es Ihnen möglich ist, sollten Sie versuchen, den Vogel mit seinen natürlichen Nahrungsmitteln, die Sie in der Natur sammeln, oder solchen, die der natürlichen Nahrung sehr nahe kommen, zu versorgen. Die Gründe, warum ich eine natürliche Ernährung bevorzuge und empfehle, habe ich in dem Kapitel „Erste Schritte – selber päppeln“ ausgeführt.
Auch, wenn es in diesen Beiträgen primär um die Fütterung von Jungvögeln und Nestlingen geht, so sind die Prinzipien bei Altvögeln gleich. Darum empfehle ich Ihnen, das Kapitel Fütterung ff. durchzulesen. Wenn Ihnen keine Fütterung mit den zur Art passenden Futtermitteln aus der Natur möglich ist, denken Sie bitte daran, dass der Vogel u.U. Nahrungsergänzer braucht.
Diese müssen für Wildvögel im allgemeinen und für Ihre Vogelart im besonderen geeignet sein. Die allermeisten Singvogelarten können von Anfang an ihr Futter selbst aufnehmen, wenn Sie Ihnen geeignetes Futter hinstellen. Nur bei wenigen (z.B. Schwalben) kann es geschehen, dass sie erst lernen müssen, tote Futtertiere aus einer Schale zu essen, da sie normalerweise Insekten im Flug fangen. Bei diesen Vögeln habe ich die Erfahrung gemacht, dass es stressfreier und leichter ist, den Vögeln zunächst noch zappelnde Futterinsekten (z.B. Schuster, Fliegen) mit der Pinzette hin zu halten, als sie „zwangszuernähren“. Wenn der Vogel gelernt hat, die zappelnden Insekten von der Pinzette zu nehmen, kann man die Insekten tot anbieten. Sowie der Vogel auch diese nimmt, ist es normalerweise kein Problem mehr, die Insekten auch in einer Schale anzubieten. Bitte denken Sie daran, dass Altvögeln immer zusätzlich eine Schale mit frischem Wasser zum Trinken und Baden angeboten werden sollte.
Bezüglich der Unterbringung wird es bei verletzten Altvögeln schwieriger. Hier lassen sich keine konkreten „Anleitungen“ geben. Die Art der Unterbringung ist individuell davon abhängig, welche Vogelart sie haben und welcher Art die Verletzung ist.
Es gibt einige Faustregeln, die für jeden Wildvogel gelten:
Wildvögel niemals in Gitterkäfigen oder vergitterten Volieren unterbringen, da der Vogel sich leicht am Gitter das Gefieder beschädigen kann
flugunfähige, in ihrer Bewegung eingeschränkte und sehbehinderte Vögel so unterbringen, daß sie nicht abstürzen können
auch, wenn der Vogel „am Boden“ sitzt, unterschiedlich dicke Äste und Zweige rein legen, auf denen er sitzen kann. Die Füße von Vögeln müssen „greifen“ können – sitzen sie tagelang auf flachen Oberflächen, schädigt das die Bänder und Sehnen und kann zu Entzündungen im Fuß führen
Je nach Vogelart Sand, Erde und/oder Grit mit einstreuen oder in einer Schale anbieten – viele Vögel benötigen die Aufnahme kleiner „Steinchen“ für eine korrekte Verdauung, viele Singvögel nehmen regelmäßig Staubbäder zur Gefiederpflege.
Wird der Vogel länger als drei oder vier Tage bei Ihnen sein, benötigt er ungefiltertes (ohne Fenster) Tageslicht – ist das nicht natürlich möglich, sollten Sie eine Lampe mit Tageslichtspektrum inklusive UV anbringen.
Der Tierarzt wird Ihnen gesagt haben, ob es bei der Haltung und/oder Unterbringung etwas zu beachten gibt, z.B. dass der Vogel sich nicht viel bewegen darf (z.B. Bruch), dass er zunächst abgedunkelt untergebracht werden sollte (Gehirnerschütterung – habe ichhier im ersten Teil des Beitrags erklärt) etc. Aus diesen Vorgaben kombiniert mit den natürlichen Bedürfnissen der Vogelart und Ihren räumlichen Möglichkeiten vor Ort können Sie nun eine kreative Unterbringung Ihres Pfleglings basteln.
Anders als Nestlinge, sind die meisten Altvögel sehr scheu und schreckhaft und bleiben es auch – oder werden es schnell wieder, je mehr sie sich erholen. Sie sollten darauf Rücksicht nehmen. Haustiere, egal ob Hund, Katze oder Ziervogel sollten nicht im selben Raum, wie Ihr Pflegling leben. Die Unterbringung des Vogels sollte so erfolgen, dass er nicht das Gefühl hat, „auf dem Präsentierteller“ zu sitzen – also z.B. ein Gehege zu mindestens 2 Seiten abhängen oder einen dicht belaubten Ast aufstellen, in dem der Vogel versteckt sitzen kann etc..
Außer zur medizinischen Versorgung vermeide ich es, den Vogel anzufassen, es sei denn, der Vogel kommt aus eigenem Antrieb zu mir und sucht den Kontakt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade erwachsene Vögel umso stressfreier mit ihrer vorübergehenden „Gefangenschaft“ umgehen können, je weniger sie das Gefühl haben, eingesperrt zu sein.
Ich versuche darum wo immer es geht, den Vögeln in einem Zimmer, auf dessen Nutzung als Wohnraum ich in der Zeit weitestgehend verzichte, eine Ecke als Lebensraum einzurichten, ohne diesen durch Gitter oder ähnliches zum restlichen Raum abzutrennen.
Schnellinfo: Ist der Vogel: ein Jungtier oder erwachsen, sichtbar verletzt oder „nur“ flugunfähig, voll befiedert oder unvollständig befiedert?
nicht vollständig befiedert oder die Federn sind sichtbar beschädigt:Vogel sofort einsammeln, warm halten und mitnehmen >Erstversorgung > selber aufpäppeln oder Pflegestelle suchen
eindeutig erwachsen und flugunfähig: Vogel einsammeln> in ein gut gepolstertes, Behältnis (z.B. Karton) setzen, wo der Vogel wenig Bewegungsfreiheit hat > Behältnis abdunken – abdecken oder verschließen (an Luftzufuhr denken) >Tierarztaufsuchen > selbstgesund pflegenoder Pflegestelle suchen
vermutlich junger Vogel, flugunfähig und sichtbar verletzt:Vogel einsammeln > in ein gut gepolstertes, Behältnis (z.B. Karton) setzen, wo der Vogel wenig Bewegungsfreiheit hat > Behältnis abdunken – abdecken oder verschließen (an Luftzufuhr denken) > Tierarztaufsuchen > selbst gesund pflegenoder Pflegestelle suchen.
vermutlich oder eindeutig junger Vogel, flungunfähig, nicht sichtbar verletzt, kann auf seinen Füssen stehen: wenn er an gefährlichem Ort (z.B. Straße) sitzt, aufnehmen und in der Nähe an einen sicheren Ort setzen (z.B. ein Gebüsch) > weit genug entfernen, dass der Vogel sich nicht mehr gestört fühlt > längere Zeit beobachten, ob er beginnt nach Eltern zu rufen und ob Eltern kommen und füttern (Hilflosen Vogel gefunden – was tun?) > wenn ja,alles in Ordnung, keine Hilfe erforderlich > wenn nein, Vogel einsammeln und mitnehmen >Erstversorgung> selber aufpäppelnoder Pflegestellesuchen
vermutlich oder eindeutig junger Vogel, flungunfähig, nicht sichtbar verletzt, kann nicht auf seinen Füssen stehen, sitzt auf dem ganzen Bein/liegt auf dem Bauch: Vogel einsammeln und mitnehmen >Erstversorgung > selber aufpäppeln oder Pflegestelle suchen
Verletzt: aufnehmen > in ein kleines, ausgepolstertes, dunkles Behältnis setzen > zum Tierarzt fahren
Unverletzt und voll befiedert: ggf. an einen sicheren Ort in der Nähe umsetzen > auf großen Abstand gehen > länger beobachten, ob es ein Ästling ist, also Eltern in der Nähe sind, die zum füttern kommen > Wenn ja: ist alles in Ordnung > nicht weiter stören. Wenn nein: > Küken aufnehmen > mit nach Hause nehmen > in kleinen, ausgepolsterten Karton setzen und mit Tuch abdecken > Erstversorgungdurchlesen und durchführen Achtung Ausnahme:Schwalben und Mauersegler sind am Boden immer hilfsbedürftig – auch, wenn sie voll befiedert sind – auf jeden Fall wie „Unverletzt und unbefiedert“ verfahren
Unverletzt und kaum- oder unbefiedert:Küken sofort aufnehmen > wärmen (z.B. hohle Hand) > Auffindeort merken > mit nach Hause nehmen > in eine gut ausgepolsterte Müslischale o.ä. setzen > warm halten (mind. 20 Grad – max. 38 Grad je nach Befiederung > nur komplett frisch geschlüpfte Küken, die splitternackt sind bei max. 38 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit ) > Erstversorgung, Kükenrückgabe und Parasitendurchlesen und so wie nötig durchführen.